Manchmal braucht es eine Krise, um sich selbst neu zu finden. Meine Reise begann vor sieben Jahren, kurz nach der Geburt meiner Tochter. Obwohl die Zeit mit einem Neugeborenen voller Wunder ist, war sie für mich auch von Unsicherheiten geprägt. Ich war plötzlich nicht nur Mutter, sondern auch jemand, der sich selbst neu definieren musste. Mein Selbstvertrauen geriet ins Wanken, und ich fragte mich: Wer bin ich außerhalb meiner Mutterrolle? Was will ich im Leben wirklich erreichen?
Kein Job, kein Plan, kein Selbstwert
Nach meiner Elternzeit stellte sich die nächste Herausforderung: Ich hatte keinen Job, zu dem ich zurückkehren konnte. Die Bewerbungsgespräche verliefen erfolglos, und schließlich musste ich mich arbeitslos melden. Diese Zeit war hart. Mein Selbstwert, der ohnehin schon angeschlagen war, sackte weiter in den Keller. Ich zweifelte daran, ob ich jemals wieder beruflich Fuß fassen würde.
Doch nach zehn Monaten kam endlich ein Lichtblick: Ich wurde als Managerin in einer Insektenzucht für essbare Insekten angestellt. Endlich hatte ich das Gefühl, wieder gebraucht zu werden. Ich lernte in dieser Zeit so viel über Insekten, ihre Bedeutung für unsere Umwelt und ihren potenziellen Beitrag zur Ernährungssicherheit. Es war inspirierend – und für kurze Zeit dachte ich, ich hätte meinen Platz gefunden. Doch die Freude hielt nicht lange an. Nach nur neun Monaten wurde ich aus betrieblichen Gründen gekündigt.
Zurückgeworfen auf mich selbst
Die Entlassung traf mich schwer, aber ich war entschlossen, nicht aufzugeben. Ich wollte eine eigene Insektenzucht gründen und meine Vision in die Tat umsetzen. Doch dann kam Corona. Die Pandemie brachte nicht nur die Welt zum Stillstand, sondern auch meine Pläne. Ich war gezwungen, mich neu zu orientieren. Anstatt zu verzweifeln, richtete ich meinen Blick nach vorne. Aufgeben kam für mich nicht infrage. Ich hatte eine Idee, die mich nicht losließ: Wenn ich keine physische Insektenzucht aufbauen konnte, dann würde ich die Menschen auf eine andere Weise für Insekten begeistern.
Der Beginn der Insekten-Akademie
Im Jahr 2021 war es dann so weit: Ich gründete die Insekten-Akademie. Aufgrund der Einschränkungen durch Corona musste ich mich auf den Online-Markt konzentrieren. Das war eine große Herausforderung, aber auch eine Chance. Gemeinsam mit Familien entwickelte ich drei Online-Kurse, die sich mit der Welt der Insekten beschäftigten. In diesen Kursen erklärte ich, wie faszinierend Insekten sind, welche wichtige Rolle sie in unserem Ökosystem spielen und warum sie es verdienen, mit Staunen und nicht mit Ekel betrachtet zu werden.
Diese Zeit war erfüllend, und ich war stolz auf das, was ich geschaffen hatte. Doch etwas fehlte. Der persönliche Kontakt, das direkte Feedback, das Lächeln der Kinder – all das konnte der Online-Unterricht nicht ersetzen. Ich wollte wieder raus in die Welt, mit Menschen arbeiten, ihre Begeisterung spüren und sie direkt an der Magie der Insekten teilhaben lassen.
Zurück ins präsente Leben
Dieses Jahr hat sich mein Leben erneut gewandelt. Ich biete jetzt Workshops in Kindergärten und Schulen an und arbeite direkt mit den Kindern. Es ist traumhaft, die leuchtenden Augen der Kinder zu sehen, wenn sie einen Mehlkäfer oder Mehlwurm (Larve der Mehlkäfer) auf ihrer Hand spüren oder lernen, dass Wespen mehr sind als nur nervige Sommerbesucher. Besonders rührend war der Moment, als mich ein kleines Mädchen bei einem Geburtstagsworkshop „Insektenfrau“ nannte. In diesem Augenblick wusste ich: Ich habe meinen Platz gefunden.
Ich bin stolz darauf, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Berührungsängste abzubauen. Wenn ein Kind nach einem meiner Workshops mit offenen Augen durch die Welt geht, Insekten entdeckt und sie mit Respekt betrachtet, dann habe ich mein Ziel erreicht. Diese Arbeit fühlt sich nicht wie ein Beruf an, sondern wie eine Berufung. Ich bin angekommen.
Die Geburt der Insektenflüsterin
Nach sieben Jahren des Suchens, Zweifelns und immer wieder Aufstehens kann ich sagen: Ich bin neu geboren. Aus der unsicheren Mutter von damals ist eine selbstbewusste Frau geworden, die ihre Leidenschaft für Insekten in die Welt trägt. Heute bin ich die Insektenflüsterin – oder eben die „Insektenfrau“. Meine Reise hat mich gelehrt, dass jede Krise auch eine Chance zur Veränderung ist. Manchmal muss man alte Hüllen abwerfen, um in einer neuen Gestalt zu erstrahlen – wie ein Schmetterling, der sich aus seiner Puppe befreit.
Ich möchte anderen Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen, auch wenn er steinig ist. Jede Herausforderung birgt das Potenzial zur Verwandlung. Für mich hat diese Verwandlung nicht nur beruflich, sondern auch persönlich stattgefunden. Ich bin dankbar für die Rückschläge, denn sie haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Die Insektenflüsterin.
Und vielleicht zeigt meine Geschichte, dass es sich lohnt, immer wieder aufzustehen, an sich zu glauben und seiner Leidenschaft zu folgen. Denn wie die Insekten, die ich so sehr liebe, steckt auch in uns die Kraft der Verwandlung.